Interview mit Michael Schwarz, Präsident des Verbands Freie Berufe in Bayern e.V. zur Situation der Freien Berufe in der Corona-Krise
Aktuelles Interview: VFB-Präsident Schwarz beantwortet aktuelle Fragen des IFB zur Situation der Freien Berufe in der Corona-Krise
1.) Herr Schwarz, als Präsident des Verbandes Freier Berufe in Bayern sind Sie täglich mit Vertretern der Organisationen der Freien Berufe in Kontakt. Wie sieht die Lage aktuell für die Freien Berufe aus?
Zu den Auswirkungen der Corona-Krise hat der VFB kurzfristig eine Umfrage bei seinen Mitgliedsorganisationen durchgeführt. Aus dieser ergibt sich, dass ausnahmslos alle Berufsgruppen der Freien Berufe mit Einbußen rechnen. Teils sehr akut, teils in der nächsten Zeit, wenn die Krise noch massiver durchschlägt. So erwarten 100 % der Befragten, dass sie durch die Corona Epidemie bzw. deren Auswirkungen relevante bzw. das Fortbestehen gefährdende wirtschaftliche Einbußen erleiden. 42 % erwarten sehr stark, 33 % stark und 25 % mittelstark betroffen zu sein. 85,7 % der Befragten geben an, dass bereits jetzt akut Aufträge wegbrechen. Bei 14 % der Befragten brechen sogar 80 – 100 % der Aufträge weg, bei 43 % bricht 30-50 % des Auftragsvolumens weg. Das Adjektiv „dramatisch“ bezeichnet diese Einschätzung leider sehr zutreffend. Einziger Lichtblick ist die Tatsache, dass insbesondere einige medizinische Berufsgruppen als systemrelevant eingestuft werden und deshalb weniger von Auftragseinbrüchen betroffen sind. Diese Kollegen leiden dafür sehr oft an einer schier außergewöhnlichen Mehrbelastung durch ihren Dienst an der Allgemeinheit. Sie stehen in diesen Zeiten als Krisenmanager Tag und Nacht im Einsatz. Allerdings ist auch hier eine differenzierte Betrachtung notwendig: So leiden niedergelassene Ärzte, Zahnärzte und Physiotherapeuten unter Einnahmeeinbußen: viele Patienten verschieben Vorsorgetermine oder sagen diese ab. Bei allen aktuellen Problemen registriere ich insgesamt aber auch einen erstaunlichen gesellschaftlichen Konsens und guten Zusammenhalt, auch Vertrauen in die Verantwortlichen, egal wo sie gerade wirken. Das macht Mut und den brauchen wir auch für die nächsten Monate. Die Expertise und die Flexibilität von uns Freiberuflern wird auch in Zukunft, vielleicht sogar noch stärker, gefragt sein. Die besondere Bedeutung der Freien Berufe wird Politik und Gesellschaft einmal mehr bewusst werden. Aus freiberuflicher Sicht eine gute Erfahrung in dieser Krise.
2.) Welche Angehörigen der Freien Berufe haben besonders starke Umsatzeinbußen?
Hier sind wohl in erster Linie unsere Kreativberufe zu nennen. Künstler, die sich ohnehin oftmals in einer prekären wirtschaftlichen Situation befinden. Obwohl medizinisch vorallem die Heilberufe insgesamt extrem beansprucht sind, Ärzte und Apotheker, die sich an vorderster Front und mit unvorstellbarem persönlichen Einsatz für unsere Gesellschaft einbringen, leiden trotzdem, wie bereits erwähnt viele niedergelassene Ärzte, Zahnärzte und Physiotherapeuten, unter starken Einnahmeeinbußen: viele Patienten verschieben in der momentanen Situation Vorsorgetermine oder sagen diese ab. Neben den Heilberufen werden auch die beratenden und technischen Berufe starke Umsatzeinbußen erleben, die sichaber erst zeitversetzt bemerkbar machen: Denn während bei Teilen der Freien Berufe Absagen, Stornierungen, durch Corona bedingte Unterbrechungen oder Beschränkungen des Betriebs zu sofortigen Umsatzrückgängen und Liquiditätsengpässen führen, treten diese Folgen bei beratenden und technischen Freien Berufen aber eben auch bei Ärzten, zumeist um wenige Monate zeitversetzt ein. Dies hängt damit zusammen, dass hier Vergütungen regelmäßig erst nachlaufend, heißt mit der Quartalsabrechnung oder nach Abschluss der Leistungserbringung fällig und in Rechnung gestellt werden. So schickt beispielsweise der Rechtsanwalt die Kostennote nach Ende des Mandats, so stellt der Architekt seine Planungsleistungen erst nach Abnahme in Rechnung. Dies führt dazu, dass bei wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise (nicht beglichene Rechnungen durch von der Krise getroffenen Auftraggebern, keine Erteilung von Folgeaufträgen für Planungsleistungen mangels Sitzungen und Beschlüssen von Gemeinderäten u. ä.) und/oder bei infektionsschutzrechtlichen Eingriffen (Tätigkeitsuntersagung, Quarantäneanordnung, Betriebsschließung) die Umsatzrückgänge und die darauf beruhende Liquiditätsverknappung noch nicht sofort, sondern erst zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem bei regelmäßigem Verlauf die Honorare eingehen würden, die dann wegen des Auftragsausfalls im März und zumindest wohl auch April ausbleiben.
3.) Wie lange werden diese finanziellen Einbußen voraussichtlich andauern?
Diese Frage lässt sich in der jetzigen Situation kaum beantworten, hängt doch alles maßgeblich davon ab, ob die momentanen Restriktionen Wirkung zeigen oder verlängert werden müssen. Wie bereits erwähnt sind die wirtschaftlichen Folgen für uns Freiberufler aber bestimmt noch lange Zeit kräftig spürbar. Ein wenig positiv stimmt mich in diesem Zusammenhang allein die Tatsache, dass den Freien Berufen eine enorm wichtige Bedeutung für die Gesellschaft und das Gemeinwohl zukommt und wir aus dieser Anerkennung in der Gesellschaft für die zukünftige Entwicklung Kraft und Stärke gewinnen können. Neben den Angehörigen der Heilberufe, die aktuell ganz selbstverständlich und in großem Maße diese Anerkennung erfahren, sind aber auch viele andere Berufsgruppen in einer vergleichbaren Situation: In beratenden Berufen tätige Freiberufler, die den Menschen bei der Beantragung der staatlichen Hilfen oder notwendigen arbeitsrechtlichen, insolvenzrechtlichen oder steuerlichen Maßnahmen zur Seite stehen oder die Angehörigen der technischen Freien Berufe, denen eine elementare Rolle beim wirtschaftlichen Neustart zukommen wird, da es ohne rasche Nachholung der aufgeschobenen Planungsleistungen keinen umgehenden Fortgang bei den Infrastruktur- und sonstigen Baumaßnahmen geben kann. Die Freien Berufe werden auch in dieser schwierigen Situation beweisen, welch gewichtige Bedeutung ihnen für die Erholung der Wirtschaft und die Sicherung der Arbeitsplätze zukommt.
4.) Der Verband Freier Berufe in Bayern hat sich dafür eingesetzt, dass Kredite aus Bundesmitteln und Zuschüsse aus Mitteln des Freistaats bereitgestellt werden, um die Situation der Freiberufler zu verbessern. Sind sie zufrieden mit den Soforthilfen, die ein beträchtliches Volumen aufweisen?
Der VFB hat sich von Anfang an für eine Soforthilfe für die Freien Berufe eingesetzt – auf Bundesebene zusammen mit dem Bundesverband der Freien Berufe und auf Landesebene alsMitglied in der Taskforce der Bayerischen Staatsregierung. In dieser hatte ich persönlich die Gelegenheit bei den regelmäßig stattfindenden Krisensitzungen die Betroffenheit der Freien Berufe darzustellen. Der VFB begrüßt die Soforthilfe der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung für kleine Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler. Sie ist definitiv ein wichtiges unbürokratisches und schnelles Instrument, um besonders die Freiberufler am Markt zu halten, die keine kreditfinanzierten Hilfen in Anspruch nehmen können und ihre laufenden Kosten decken müssen. Diese Zuschüsse sind wertvoll, um kurzfristig Existenzen zu sichern, die durch die Krise unverschuldet in Schräglage geraten sind. Allerdings werden die Beträge von 9.000 Euro beziehungsweise 15.000 Euro dieser Einmalzahlung angesichts laufender Kosten, denen teilweise stark reduzierte oder auch komplett entfallende Einnahmen gegenüberstehen, bei vielen nur einen kurzen Zeitraum abdecken können. Und Freiberufler berichten, dass die Voraussetzungen dafür nicht ausreichend bekannt seien. „Eine Herausforderung besteht auch darin, dass bei Solo-Selbstständigen private und betriebliche Kosten nicht trennscharf abzugrenzen sind, die Soforthilfe aber dazu dient, Betriebskosten aufzufangen. So lässt sich die Liquiditätslücke teils nicht so einfach berechnen oder es kommt eben ausschließlich die Grundsicherung in Frage.
5.) Das Verfahren war in Bayern etwas kompliziert, weil die Regierungsbezirke zuständig sind. Wurde das Verfahren mittlerweile beschleunigt? Sie haben Recht, dass das Antragsverfahren zu Beginn kompliziert war. Dies resultierte daraus, dass nach der Bayerischen Staatsregierung auch die Bundesregierung ein Soforthilfeprogramm für Betriebe und Freiberufler aufgelegt hat. Diese beiden Programme mussten erst miteinander verzahnt werden. Hieran wurde aber mit Hochdruck gearbeitet, so dass die Verzahnung der beiden Programme in Bayern jetzt seit dem 31. März 2020 höhere Zahlungen ermöglicht. Außerdem können Anträge auf die Corona-Soforthilfe des Freistaates Bayern und der Bundesregierung seit dem 31. März 2020 über ein kombiniertes Online-Formular gestellt werden. Vorher musste hierfür ein separater Pdf-Antrag eingereicht werden. Das neue Online-Formular hat das Verfahren insoweit erleichtert, dass nach der Eingabe der Anzahl der Beschäftigten das Programm automatisch erkennt und entscheidet, ob das bayerische oder bundesdeutsche Soforthilfe-Programm zur Anwendung kommt. Es erscheint automatisch das einschlägige Antragsformular. Eine Beschleunigung wurde auch dadurch erreicht, dass bei Betrieben bis zu zehn Mitarbeitern auf eine Vermögensprüfung verzichtet wird. Allerdings steigt die Zahl der Anträge täglich. Diese Antragsflut muss mittels bestehender Kapazitäten erst einmal bewältigt werden. So können bis zur Auszahlung der Soforthilfe bis zu zwei Wochen vergehen, was angesichts der Masse aber immer noch als beschleunigt eingestuft werden kann.
6.) Wie beurteilen Sie die Beratung und die Leistungsfähigkeit der zuständigen Stellen?
Wie gesagt, lässt sich insgesamt sagen, dass alle Systeme verständlicherweise am oder oft auch über dem Limit arbeiten, weil solche Fälle im Normal- oder Notstandsbetrieb nicht vorgesehen waren, und schon gar kein Personal dafür vorgehalten werden konnte. Die Antragszahlen auf Soforthilfe, Kredite und Kurzarbeit sind sehr hoch und der Beratungsbedarf ist intensiv. Aber auch die Banken beraten hier sehr intensiv, denn die Prüfung der Kreditwürdigkeit hat weiterhin die Hausbank durchzuführen, lediglich die zusätzliche Prüfung durch die LfA Förderbank und die KfW entfallen zurzeit. Täglich werden über tausend Kreditanträge bearbeitet und es wurden bereits 700 Millionen ausgereicht. Trotzdem, es wird alles versucht, diese Flut an Anträgen so schnell und effektiv wie möglich Unterstützung zu leisten. Die Zahlungswege werden weiter beschleunigt, trotzdem wird es aber bei der Flut der Anträge 10-14 Tage dauern, bis die Soforthilfe angekommen ist. Das Ministerium arbeitet daran, den Arbeitsprozess auf allen Ebenen zu straffen, so auch die Banken. Zusammengefasst muss man feststellen, dass sich wirklich ausnahmslos alle Beteiligten für eine bestmögliche Beratung und Leistungsfähigkeit einsetzen. Dass wir angesichts des Ausmaßes aktuell aber auch an Grenzen stoßen und sicher nicht jeden gleichermaßen zufriedenstellen können, ist nachvollziehbar. Aber auch hier arbeiten alle Beteiligten daran, hier bestmöglich nachzujustieren.
7.) Welche Rückmeldungen haben Sie zur Rolle des IFB in der Corona-Krise erhalten?
Momentan erreichen unseren Verband zahlreiche Anrufe und Anfragen von Freiberuflern, die um Unterstützung und Beratung bitten. Da wir bekanntlich ein Dachverband der bayerischen Freiberuflerkammern und -verbände sind und eine individuelle Beratung nur in sehr beschränktem Umfang leisten können, sind wir sehr dankbar, dass wir das IFB hier an unserer Seite wissen, das mit seiner Corona-Hotline hier wertvolle Arbeit leistet.